Nachruf auf Steve Jobs: "Niemand will sterben"
"Der Tod ist wohl die mit Abstand beste Erfindung des Lebens", sagte Steve Jobs einst - ausgerechnet in einer Rede vor jungen Leuten. Seit Jahren hatte der Apple-Mitbegründer sein eigenes Ende vor Augen. Ein Nachruf auf Steve Jobs, der in der Nacht gestorben ist. von Helene Laube, San Francisco
Der Tod kommt in den an US-Universitäten üblichen Abschlussreden Prominenter selten vor. Im Jahr davor war bei Jobs Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden, eine der aggressivsten Krebsformen. Dennoch war er erfolgreich operiert worden. "Der Tod ist wohl die mit Abstand beste Erfindung des Lebens", ermutigte Jobs damals die Stanford-Absolventen im Silicon Valley. "Er ist der Katalysator des Wandels. Er räumt das Alte weg, damit Platz für Neues geschaffen wird." Steve Jobs ist gegangen. Kaum einer wünschte dem von ihm mit gegründeten Technologiekonzern - oder der Branche - einen derartigen Katalysator des Wandels. Nicht die Mitarbeiter, nicht die Aktionäre, nicht das Silicon Valley. Wahrscheinlich nicht einmal Apples Wettbewerber. Die meisten haben von Steve Jobs profitiert, haben sich durch oder für ihn nach der Decke gestreckt. Am Mittwoch ist der Kalifornier im Silicon Valley im Kreis seiner Familie gestorben. Er war 56 Jahre alt. Aus der Garage in die Wolke Stationen im Leben eines Hightech-Pioniers Rivalen Apple I Trauer um ein Genie iTunes 'Findet Nemo' Mit seinem Tod verliert die Technologiebranche ihren innovativsten Vertreter und die Geschäftswelt den wohl einzigen Manager mit dem Status eines Rock-Idols. "Steve Jobs ist der inspirierendste Führer, den ich jemals getroffen habe", antwortete Microsoft -Mitbegründer Bill Gates, jahrzehntelanger Partner und Rivale von Jobs und Apple, bereits 1998 auf die Frage nach dem Vorstandschef, den er am meisten bewunderte. Ohne Uni-Abschluss Jobs war einer, der mit seinen Ideen die Welt veränderte. Einer, der bewegte. Nicht nur die Menschen, die er millionenfach teils zu fast religiös-treuen Apple-Kunden machte. Der Milliardär ohne College-Abschluss revolutionierte Produktkategorien und gesamte Branchen. Er startete 1977 mit dem Apple-II-Rechner die PC-Revolution. 1984 gab er der Computerbranche mit dem Macintosh und der grafischen Benutzeroberfläche die Marschrichtung für die kommenden Jahrzehnte vor. "Steve hat eine phänomenale Intuition, wie man Branchen umwälzt", sagte Paul Saffo, prominenter Zukunftsforscher aus dem Silicon Valley. Steve Jobs auf einer Computermesse im Jahr 1977 Steve Jobs auf einer Computermesse im Jahr 1977 Im vergangenen Jahrzehnt nahm sich der Apple -Lenker mit dem feinen Gespür für Zukunftsmärkte gleich mehrere Branchen vor: Ab 2000 gab er mit dem iPod-Musikabspielgerät und dem Online-Musikgeschäft iTunes in der Musikbranche den Ton an. Ab 2007 zeigte er der Mobilfunkbranche mit dem von allen kopierten iPhone und dem App-Store, was Innovation bedeutet. Und mit dem Anfang 2010 eingeführten iPad erweckte Jobs den Tablet-Markt, den Microsoft und PC-Hersteller wie Hewlett-Packard (HP) bis dahin zehn Jahre lang erfolglos beackert hatten, zum Leben. "Es ist längst zum Muster geworden", schrieb der renommierte "New York Times"-Technikkolumnist David Pogue im Februar. "Phase 1: Apple präsentiert ein neues Gadget. Die Blogger und die Branche sagen uns, dass es floppt. Phase 2: Es kommt in den Handel. Die Nutzer rasten total aus. Phase 3: Alle anderen Anbieter und ihre Oma machen sich an einen Klon." Jobs hat für immer die Art und Weise geprägt, wie Menschen in der ganzen Welt mit Computern arbeiten, Musik hören, Filme schauen und mit Handys umgehen. Er, den selbst Manager-Ikone Jack Welch als den erfolgreichsten aller Vorstandschef bezeichnet, war ein "globaler kultureller Guru" ("Fortune"). Einer, der wusste, was die Leute wollen - bevor sie es selbst wissen. "Steve Jobs ist einer der Väter des PCs, eine Legende und eine Ikone des Silicon Valley", sagt Tim Bajarin, Analyst bei Creative Strategies.
Teil 2: Wie alles begann Begonnen hat alles - wie es sich für eine richtige Silicon-Valley-Legende gehört - in einer Garage. Jobs gründete Apple am 1. April 1976 mit seinem Freund Steve Wozniak, der ebenfalls sein College-Studium abgebrochen hatte, in der elterlichen Garage in Los Altos. Jobs war 21. Ihr erster Verkaufshit war der Apple II. Das Gerät kostete 1295 Dollar und war der erste fertig montierte und leicht zu bedienende PC. 1978 machte Apple einen Umsatz von knapp 8 Mio. Dollar, zwei Jahre später bereits 117 Mio. Dollar. Am 12. Dezember 1980 ging Apple an die Börse. Lange bevor Technologieaktien in aller Munde und Portfolio waren, war der Börsengang einer am heißesten ersehnten Momente in der Geschichte der Wall Street. Jobs und Wozniack wurden im Alter von 25 und 30 auf einen Schlag zu Multimillionären. Innerhalb eines Jahres legte der Aktienkurs um 1700 Prozent zu. Video zum Tod von Steve Jobs Video zum Tod von Steve Jobs Fünf Jahre nach der Gründung und mit einem Umsatz von rund 335 Mio. Dollar war Apple ein Fortune-500-Unternehmen und der Darling der US-Wirtschaftspresse. Dennoch: Jobs spielte nie den Part des Executives. Der schlaksige Apple-Gründer, der in den 70er-Jahren in Indien auf spirituelle Entdeckungsreise gegangen war, trug ausgefranste Jeans, Cowboyhemden und Koteletten. Später wechselte er zu der Uniform, von der er mit fast irritierender Monotonie nie mehr abließ: schwarzer Rolli, Jeans und graue New-Balance-Turnschuhe. Er sagt, wie viele Schrauben es sein müssen Jobs war ein notorischer Mikromanager und Perfektionist mit einem autokratischen und kompromisslosen Führungsstil. Einer, der sich weder um die gängige Meinung noch Marktforschung kümmerte. Seine "Weniger ist mehr"-Design-Tyrannei war legendär: Er bestimmte die Anzahl der Schrauben an der Unterseite eines Notebook-Rechners, die Krümmung der Bildschirmecken, die Anzahl der Steckplätze im Gehäuse, alles bis hinunter zum letzten Pixel. Er ordnete alles zwei Prinzipien unter: dem reibungslosen Zusammenspiel von Hardware und Software und der Benutzerfreundlichkeit. Der Buddhist war vor allem in jungen Jahren ein zu Wutausbrüchen neigender Chef, der von seinen Untergebenen restlos bewundert und gefürchtet wurde.
Aber er konnte auch charmant sein. "Das Wort ‘nein' bedeutet ihm nichts, es ist eine Hürde, die Steve immer zu überwinden scheint", schreibt John Sculley in seinem Buch "Odyssey". "Er hatte die verblüffende Fähigkeit, immer das zu bekommen, was er wollte - eine Situation einzuschätzen und zu wissen, was er Leuten sagen musste, um zu ihnen durchzudringen." "Willst Du Zuckerwasser verkaufen?" Sculley war der erfolgreiche Pepsi-Präsident, den Jobs monatelang umgarnte, bis dieser endlich einwilligte, zu Apple zu wechseln. Der legendäre Satz, mit dem Jobs Sculley rumkriegte: "Willst du den Rest deines Lebens Zuckerwasser verkaufen oder willst du die Chance, die Welt zu ändern?". Sculley biss an. 1983 wurde er Apple-Chef, Jobs war Chairman und Chef der Macintosh-Abteilung. Ein Jahr lang ging alles gut, dann begannen die Vorstellungen der beiden über die Zukunft auseinanderzugehen. 1985 feuerte Sculley den Firmengründer mit dem Einverständnis des Verwaltungsrats. Jobs war gerade einmal 30. Nach der Niederlage gründete Jobs die Computerfirma Next und kaufte dem Regisseur George Lucas für 10 Mio. Dollar die Computergrafiksparte von Lucasfilm ab. Er taufte sie Pixar und baute sie mit Hitfilmen wie "Toy Story" zum erfolgreichsten Computertrickfilmstudio der Welt auf. 2006 verkaufte Jobs Pixar für 7,4 Mrd. Dollar in Aktien an Walt Disney. Damit wurde er der größte Einzelaktionär des südkalifornischen Medienkonzerns und saß im Verwaltungsrat.
Nachruf auf Steve Jobs: "Niemand will sterben" Anzeige Teil 3: Berater im eigenen Unternehmen Die nachtschwarzen Next-Computer und ihr Unix-Betriebssystem Nextstep wurden von Technikern bewundert, breiteten sich aber nie in der Geschäftswelt aus. Für Jobs war das Unternehmen dennoch die Brücke zurück in die Zukunft: Im Dezember 1996 überraschte Apple-Chef Gil Amelio die Branche mit der Ankündigung, Next für 400 Mio. Dollar zu kaufen und Jobs zurück zu holen. Nextstep sollte die Grundlage für Apple-Rechner werden. "Fast hätte ich es vergessen. Wir sind profitabel" Jobs wurde informeller Berater bei seinem eigenen Unternehmen, das Amelio seit Anfang 1996 vom dem Aus zu bewahren versuchte. Im Geschäftsjahr 1997 schrieb Apple einen Verlust von fast 1,1 Mrd. Dollar, die Mac-Rechner waren von PCs mit Microsofts Betriebssystemen praktisch aus dem Markt gedrängt worden. Der Konzern aus dem Technologietal am Pazifik hatte qualitativ unzureichende Produkte, keine überlebensfähige Betriebssystemstrategie, zu wenig Cash und Liquidität und zu hohe Kosten. Im Juli 1997 überzeugte Jobs den Apple-Verwaltungsrat, Amelio zu feuern. Im September wurde Jobs zum Interimschef ernannt. Den Titel behielt er vier Jahre lang.
Jobs strich alle unprofitablen Bereiche und Projekte zusammen, darunter Drucker und Zubehör sowie den Newton-Kleinstcomputer. Im ersten Quartal unter dem alten neuen Chef kehrte Apple in die Gewinnzone zurück. Jobs, der für seine wirkungsvollen und bis ins Detail durchchoreografierten Auftritte bekannt war, kündigte den Meilenstein auf der MacWorld-Messe in San Francisco an. "Fast hätte ich es vergessen", sagte er, bevor er die Bühne unter dem Jubelgeschrei des Publikums verließ. "Wir sind profitabel." Jonathan Ive schafft Design-Ikonen Im Mai 1998 präsentierte Jobs auf einer Pressekonferenz im Silicon Valley den bunten iMac. Das Design stammte von Apple-Designchef Jonathan Ive, dem Briten, der hinter dem iPod und zahlreichen anderen erfolgreichen Apple-Kreationen steht. Der iMac markierte den Beginn der Wiederauferstehung des gefallenen Computerpioniers. Nicht lange nach seiner Rückkehr an Apples Spitze nahm Jobs neue Märkte ins Visier. Er hatte früh erkannt, dass sich mit der Digitalisierung von Fotos, Musik, Filmen und anderen Inhalten ein neuer Markt für die Computerbranche auftun würde. Damit ging seine Rolle über die des Technologie-Apostels aus dem Silicon Valley hinaus. Er fungiert als Vermittler zwischen der Technologiebranche und Hollywood, der Musikbranche und Medienkonzernen. Er überzeugte die Bosse der Unterhaltungsindustrie, die sich jahrelang gegen das Internet gesträubt hatten, ihre Musik und Filme auch online anzubieten. Er war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Branche ihre restriktive Politik lockerte und immer mehr Download- und Mietmodelle für Internetnutzer anzubieten begann. Es folgten ähnlich bahnbrechende Ideen mit dem iPhone und dem App-Store für Handy-Zusatzprogramme, mit denen der Newcomer Apple gestandenen Handyanbietern wie Nokia und Motorola einen harten Wettkampf bot. Mit dem iPad hat Jobs eine weitere Umsatzquelle für den Konzern aufgetan und eine Vorreiterrolle bei den ultraflachen Rechnern übernommen. Jobs, der mit einem geschätzten Vermögen von 5,5 Mrd. Dollar auf Platz 136 der Milliardärsliste von "Forbes" rangierte, hinterlässt seinem Nachfolger Tim Cook nicht nur einen Innovationsführer. Apple wurde während seiner 14-jährigen Führung auch in finanzieller Hinsicht zum Neidobjekt der Branche. Erst Milliardenverlust, dann Multimilliarden-Gewinn Der Konzern ist mit einem Börsenwert von 351 Mrd. Dollar das wertvollste Technologieunternehmen und überrundete dieses Jahr zeitweise den Ölmulti Exxon Mobil als teuerstes Unternehmen der Welt. Jobs trieb den Umsatz von 7,1 Mrd. Dollar im Geschäftsjahr 1997 auf zuletzt über 65 Mrd. Dollar. Aus einem Verlust von 1 Mrd. Dollar machte er einen Gewinn von 14 Mrd. Dollar.
Teil 4: Ein paar kleine Sünden Apples Bruttomarge liegt bei 42 Prozent, ein Niveau, von dem Konkurrenten wie Dell oder HP nur träumen können. Der Kurs der Apple-Aktie, die vor 31 Jahren mit einem Preis von 22 Dollar in den Handel geschickt wurde, liegt heute, nach drei Aktiensplits, bei fast 380 Dollar. Steve Jobs im Januar 2007 Steve Jobs im Januar 2007 Apples Anteil am weltweiten Computermarkt, einst auf unter zwei Prozent zusammengeschmolzen, liegt heute in Europa bei sieben Prozent, in den USA sogar bei fast elf Prozent. Der Konzern aus Cupertino beherrscht die Märkte für MP3-Player und Tablets mit Anteilen von deutlich über 70 Prozent. Das Schicksal nur ganz weniger Konzerne war so eng mit dem seines Gründers und Vorstandschefs verknüpft wie das von Apple mit Jobs. Sam Walton und Wal-Mart , vielleicht. Rückdatierte Optionen Bei so viel Erfolg schienen Sünden wie rückdatierte Aktienoptionen fast lässlich. Jobs hatte sich 2006 in einem seltenen Fall von Demut bei den Apple-Aktionären dafür entschuldigt, dass jahrelang Optionen an Mitarbeiter rückdatiert worden waren. Jobs selber profitierte nicht von dieser Vorzugsbehandlung, aber er wusste davon. Jobs hinterlässt seine Frau Laurene Powell und ihre drei Kinder Reed Paul, Erin Sienna und Eve, sowie Jobs' uneheliche Tochter Lisa, nach der er den 1983 erschienenen Lisa-Rechner benannte. Adoptivkind Jobs selbst wurde am 24. Februar 1955 in San Francisco geboren und von Paul und Clara Jobs adoptiert. Seine biologischen Eltern - Joanne Carole Schieble und der Syrer Abdulfattah John Jandali - heirateten nach seiner Geburt und hatten ein zweites Kind, die spätere Schriftstellerin Mona Simpson. Der Tod räumt das Alte weg, damit Platz für Neues geschaffen wird? Für viele im Silicon Valley wird das Neue Steve Jobs nicht ersetzen können. "Es ist ein schwerer Verlust für die Branche. Wie er über Business, Produkte, Markting und Branding dachte, hat enormen Einfluss auf die Leute - sie lernten von ihm, waren von ihm inspiriert", sagt Mike McCue, der 44-jährige Gründer des Startups Flipboard. "Er ist der Grund, warum ich - und viele andere hier im Silicon Valley - Unternehmer geworden bin."
Steve Jobs über Liebe, Verlust und Tod Am 14. Juni 2005 sprach Steve Jobs auf der Abschlussfeier der Stanford University. So persönlich wie nie zuvor und nie danach. Zum Rücktritt des schwer kranken Apple-Chefs dokumentieren wir seine Worte über sein Leben zwischen Adoption, Apple und Krebsdiagnose.
Es ist mir eine Ehre, bei Ihrer Abschlussfeier an einer der renommiertesten Universitäten der Welt dabei sein zu dürfen. Um ehrlich zu sein, ich selbst besitze keinen Collegeabschluss - und so nah wie heute bin ich einem solchen Abschluss nie zuvor gekommen. Ich möchte Ihnen heute drei Geschichten aus meinem Leben erzählen. Das ist alles. Nichts Besonderes. Nur drei Geschichten. Bei der ersten Geschichte geht es darum, Zusammenhänge zu erkennen. Mein Studium am Reed College habe ich nach den ersten sechs Monaten abgebrochen. Danach blieb ich aber noch und besuchte für weitere etwa anderthalb Jahre das College immer mal wieder, bis ich das Studium endgültig abbrach. Warum habe ich das getan? Das hat schon vor meiner Geburt begonnen. Meine leibliche Mutter war eine junge, unverheiratete Studentin, die sich entschied, mich zur Adoption freizugeben. Es war ihr sehr wichtig, dass ich von Hochschulabsolventen adoptiert werden sollte - also wurden alle nötigen Vorbereitungen getroffen, damit ich bei meiner Geburt von einem Anwalt und dessen Gattin adoptiert werden konnte. Sie entschieden aber in letzter Minute, dass sie lieber ein Mädchen wollten. Meine Eltern, die auf der Warteliste standen, erhielten also mitten in der Nacht einen Anruf: "Wir haben hier ganz unerwartet einen neugeborenen Jungen. Wollen Sie ihn haben?" Sie antworteten: "Natürlich." Später fand meine leibliche Mutter heraus, dass meine Mutter keinen Collegeabschluss besaß und dass mein Vater noch nicht einmal die Highschool richtig abgeschlossen hatte. Sie weigerte sich daraufhin, die Adoptionspapiere zu unterzeichnen. Erst Monate später lenkte sie ein - weil meine Eltern ihr versprachen, dass ich später ein College besuchen würde. Das war mein Start ins Leben, und 17 Jahre später besuchte ich dann tatsächlich ein College. Naiv, wie ich war, hatte ich mir aber ein College ausgesucht, das fast so teuer war wie Stanford. Die gesamten Ersparnisse meiner Eltern, die aus der Arbeiterschicht kamen, gingen für meine Studiengebühren drauf. Nach sechs Monaten kam ich zu dem Schluss, dass mir das nichts brachte. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anstellen wollte, und keine Ahnung, wie das College mir helfen sollte, das herauszufinden - und gleichzeitig gab ich das Geld aus, das meine Eltern ihr ganzes Leben lang zusammengespart hatten. Ich entschied mich also, mein Studium abzubrechen und darauf zu vertrauen, dass alles gut gehen würde. Zum damaligen Zeitpunkt war das ziemlich beängstigend. Wenn ich aber jetzt zurückblicke, war es eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe. Ich musste keine Pflichtfächer mehr belegen, die mich nicht interessierten, und konnte als Gasthörer die Vorlesungen besuchen, die mir viel interessanter erschienen
Teil 2: "Ich sammelte Colaflaschen und kaufte mir vom Pfand essen"
Es war nicht nur romantische Studienidylle. Ich hatte kein eigenes Zimmer im Studentenwohnheim und musste bei Freunden auf dem Boden schlafen. Ich sammelte Colaflaschen und kaufte mir von dem Pfand Essen. Jeden Sonntagabend ging ich mehr als zehn Kilometer zu Fuß durch die Stadt zum Hare-Krishna-Tempel, damit ich einmal in der Woche eine ordentliche Mahlzeit bekam. Ich liebte es. Und vieles von dem, in das ich durch Zufall hineingeriet, weil ich meiner Neugier und Intuition folgte, erwies sich später als unbezahlbar. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Folge deinem Herzen Das Reed College bot zu jener Zeit den vielleicht besten Kalligrafiestudiengang des Landes an. Weil ich keine herkömmlichen Vorlesungen besuchen musste, entschied ich mich, Kalligrafieunterricht zu nehmen. Ich lernte etwas über Schriftarten mit und ohne Serifen, wie man den Abstand zwischen unterschiedlichen Buchstabenkombinationen variiert, was großartige Typografie großartig macht. Es war wunderschön. Es hatte Geschichte und war auf eine Weise künstlerisch subtil, wie die Wissenschaft es nicht zu erfassen vermag. Ich fand es faszinierend. Natürlich konnte ich nicht auch nur im Entferntesten davon ausgehen, dass irgendetwas davon einen praktischen Nutzen in meinem Leben haben würde. Aber als wir zehn Jahre später den ersten Macintosh-Computer entwarfen, kam alles wieder, und wir integrierten das alles in den Mac. Es war der erste Rechner mit wunderschöner Typografie. Hätte ich niemals diesen Kurs besucht, hätte der Mac niemals verschiedene Schriftarten bekommen oder solche mit proportionalen Zwischenräumen. Und da Windows Mac einfach kopiert hat, ist es wahrscheinlich, dass kein PC das hätte. Also: Hätte ich mein Studium nie abgebrochen, hätte ich nie als Gasthörer an der Kalligrafievorlesung teilgenommen, und PC besäßen heute vielleicht nicht diese wundervolle Typografie. Natürlich war es unmöglich, während meiner Collegezeit diese Zusammenhänge zu erkennen. Aber als ich zehn Jahre später zurückblickte, waren sie deutlich sichtbar.
Noch einmal, wenn Sie in die Zukunft blicken, können Sie nicht erkennen, wo Zusammenhänge bestehen. Das wird erst in der Rückschau möglich. Das heißt, Sie müssen darauf vertrauen, dass sich die einzelnen Mosaiksteinchen in Ihrer Zukunft zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Sie müssen auf etwas vertrauen - Ihr Bauchgefühl, das Schicksal, das Leben, Karma, egal was. Denn der Glaube daran, dass sich irgendwann die einzelnen Mosaiksteinchen zusammenfügen werden, gibt Ihnen die Zuversicht, dem Ruf Ihres Herzens zu folgen. Auch wenn der Sie abseits der ausgetretenen Wege führt - aber das macht den Unterschied. Bei meiner zweiten Geschichte geht es um Liebe und Verlust. Ich hatte Glück. Ich habe schon früh im Leben herausgefunden, was ich gern mache. Als ich 20 war, haben Woz (Steve Wozniak) und ich Apple in der Garage meiner Eltern gegründet. Wir haben schwer gearbeitet, und in zehn Jahren war Apple nur von uns beiden in einer Garage zu einem 2 Mrd. Dollar schweren Unternehmen mit 4000 Mitarbeitern gewachsen. Wir hatten gerade unser Glanzstück, den Macintosh, auf den Markt gebracht, und ich war gerade 30 geworden, da wurde ich gefeuert. Wie kann man aus einem Unternehmen gefeuert werden, das man gegründet hat? Nun ja, als Apple immer größer wurde, stellten wir jemanden an, von dem wir dachten, er habe großes Talent und könne das Unternehmen mit mir zusammen führen. Im ersten Jahr ging auch alles gut. Doch dann begannen unsere Vorstellungen von der Zukunft immer stärker voneinander abzuweichen - und schließlich kam es zum Streit. Bei diesem Streit ergriff das Board für ihn Partei. Ich stand mit 30 auf der Straße, und alle Welt bekam es mit. Das, worum sich während meines gesamten Erwachsenenlebens alles gedreht hatte, war weg. Es hat mich umgehauen. Monatelang wusste ich wirklich nicht, was ich tun sollte. Ich hatte das Gefühl, die vorige Generation Unternehmer im Stich gelassen zu haben, den Staffelstab bei der Übergabe fallen gelassen zu haben. Ich traf mich mit David Packard (einem der Gründer von Hewlett-Packard) und Bob Noyce (einer der Gründer von Intel) und versuchte, mich dafür zu entschuldigen, dass ich so viel Mist gebaut hatte. Ich dachte sogar daran, aus dem Silicon Valley zu fliehen.
Teil 3: "Von Apple gefeuert zu werden war das Beste, was mir je passiert ist"
Doch mit der Zeit wurde mir ganz allmählich etwas bewusst. Das, was ich tat, machte ich immer noch gern. Das bei Apple Vorgefallene hatte daran nicht das Geringste geändert. Ich war zurückgewiesen worden, aber ich liebte es immer noch. Also beschloss ich, wieder von vorn anzufangen. Damals konnte ich es noch nicht ahnen, aber von Apple gefeuert zu werden war das Beste, was mir je passiert ist. Die Schwere des Erfolgs wurde ersetzt durch die Leichtigkeit, wieder Anfänger zu sein, sich der Dinge weniger sicher zu sein. Ich war frei, einen der kreativsten Abschnitte meines Lebens zu erleben. In den folgenden fünf Jahren gründete ich ein Unternehmen mit dem Namen Next, ein weiteres mit dem Namen Pixar und verliebte mich in eine wunderbare Frau, die meine Ehefrau wurde. Pixar schuf mit "Toy Story" den weltweit ersten computeranimierten Kinofilm und ist heute das erfolgreichste Animationsstudio der Welt. Wie das Leben so spielt, kaufte Apple Next - und ich kehrte zu Apple zurück. Die Technik, die wir bei Next entwickelt hatten, ist Kern von Apples jetziger Renaissance. Und Laurene und ich haben eine wunderbare Familie. ich bin mir sicher, das alles wäre nicht geschehen, wäre ich nicht bei Apple gefeuert worden. Es war bitter, aber ich hatte es wohl nötig. Manchmal zieht einem das Leben eins mit dem Knüppel über den Schädel. Man darf nur nicht den Glauben verlieren. Ich bin überzeugt, dass meine Liebe zu meiner Arbeit mein einziger Antrieb war. Man muss finden, was man liebt - das gilt für die Arbeit wie fürs Privatleben. Ihre Arbeit wird einen großen Teil Ihres Lebens einnehmen. Und die einzige Möglichkeit, Zufriedenheit zu erlangen, besteht darin, das zu tun, was man selbst für großartige Arbeit hält. Und der einzige Weg, großartige Arbeit zu leisten, besteht darin zu lieben, was man tut. Haben Sie das noch nicht gefunden, dann suchen Sie weiter, lassen Sie nicht locker. Wie bei allen Herzensangelegenheiten werden Sie wissen, wenn Sie das Richtige gefunden haben. Und wie jede gute Beziehung wird auch diese im Laufe der Jahre immer besser. Suchen Sie weiter. Finden Sie sich nicht mit weniger ab. Bei meiner dritten Geschichte geht es um den Tod. Als ich 17 war, las ich irgendwo ein Zitat, das ungefähr so lautete: "Lebt man jeden Tag, als wär's der letzte, liegt man eines Tages damit richtig." Das ist hängen geblieben. Seitdem frage ich jeden Morgen mein Spiegelbild: "Wenn heute der letzte Tag meines Lebens ist, würde ich dann gern das tun, was ich heute tun werde?" Und wenn die Antwort an zu vielen Tagen hintereinander Nein lautet, weiß ich, dass ich etwas ändern muss. Mir ins Gedächtnis zu rufen, dass ich bald sterbe, ist mein wichtigstes Hilfsmittel, um weitreichende Entscheidungen zu treffen. Fast alles - alle Erwartungen von außen, aller Stolz, alle Angst vor Peinlichkeit oder Versagen - das alles fällt im Angesicht des Todes einfach ab. Nur das, was wirklich zählt, bleibt. Sich daran zu erinnern, dass man eines Tages sterben wird, ist in meinen Augen der beste Weg, um nicht zu denken, man hätte etwas zu verlieren. Man ist bereits nackt. Es gibt keinen Grund, nicht dem Ruf des Herzens zu folgen.
Teil 4: "Mein Arzt riet mir: 'Bereiten Sie sich aufs Sterben vor'"
Vor etwa einem Jahr wurde bei mir Krebs diagnostiziert. Morgens um halb acht wurde die Aufnahme gemacht, und sie zeigte deutlich einen Tumor auf meiner Bauchspeicheldrüse. Ich wusste nicht einmal, was die Bauchspeicheldrüse war. Die Ärzte erklärten mir, dass diese Art von Krebs mit ziemlicher Sicherheit unheilbar sei, und ich sollte mich darauf einstellen, dass ich nur noch drei bis sechs Monate zu leben hätte. Mein Arzt riet mir, nach Hause zu gehen und meine Sachen in Ordnung zu bringen. In der Sprache der Ärzte heißt das: Bereiten Sie sich aufs Sterben vor. Es bedeutet: Versuchen Sie Ihren Kindern in wenigen Monaten all das zu sagen, von dem Sie dachten, Sie hätten die nächsten zehn Jahre dafür Zeit. Es bedeutet: Sehen Sie zu, dass alles unter Dach und Fach ist, damit es für Ihre Familie so einfach wie möglich wird. Es bedeutet: Nehmen Sie Abschied. Ich trug diese Diagnose den ganzen Tag mit mir herum. Später am Abend wurde eine Biopsie gemacht. Dabei wurde mir ein Endoskop in den Rachen durch den Magen in meine Eingeweide gesteckt, eine Nadel in meine Bauchspeicheldrüse gestoßen und einige Tumorzellen entnommen. Meine Frau erzählte mir später, dass der Arzt, als er die Zellen unterm Mikroskop betrachtete, zu weinen begann. Es stellte sich nämlich heraus, dass es sich um eine sehr seltene Art Krebs handelte, die operativ behandelt werden kann. Ich wurde operiert, und mir geht es heute gut. Verschwende dein Leben nicht So direkt hatte ich dem Tod noch nie ins Gesicht gesehen, und ich hoffe, das war's jetzt auch für die nächsten paar Jahrzehnte. Nun, da ich das durchgestanden habe, kann ich Ihnen das mit etwas mehr Gewissheit sagen als zu der Zeit, da der Tod noch ein nützliches, aber rein geistiges Konzept war. Niemand will sterben. Sogar die Menschen, die in den Himmel kommen wollen, wollen dafür nicht sterben. Und doch ist der Tod das Schicksal, das wir alle teilen. Niemand ist ihm jemals entronnen. Und so soll es auch sein: Denn der Tod ist wohl die mit Abstand beste Erfindung des Lebens. Er ist der Katalysator des Wandels. Er räumt das Alte weg, damit Platz für Neues geschaffen wird.
Jetzt sind Sie das Neue. Doch eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft werden Sie das Alte sein und aus dem Weg geräumt werden. Bitte entschuldigen Sie, dass ich so dramatisch werde, aber es ist so. Ihre Zeit ist begrenzt, verschwenden Sie sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben. Lassen Sie sich nicht von Dogmen gefangen nehmen - das würde bedeuten, mit dem zu leben, was andere Leute erdacht haben. Lassen Sie nicht zu, dass der Lärm, den die Meinungen anderer erzeugen, Ihre innere Stimme, die Stimme Ihres Herzens, Ihre Intuition überdröhnt. In meiner Jugend gab es eine wunderbare Publikation mit dem Titel "The Whole Earth Catalogue", eine der Bibeln meiner Generation. Geschaffen wurde sie von einem gewissen Stuart Brand, unweit von hier in Menlo Park. Er erweckte sie mit seinem Gefühl für Poesie zum Leben. Es waren die späten 60er, PC gab es noch nicht. Das heißt, alles wurde mit Schreibmaschine, Schere und Polaroid-Kameras hergestellt. Es war eine broschierte Art Google 35 Jahre vor Google. Es war idealistisch, strömte über vor lauter großartigen Ideen. Auf der letzten Ausgabe Mitte der 70er-Jahre, damals war ich in Ihrem Alter, war das Foto einer Landstraße im Morgengrauen - die Art Straße, auf der man, wenn einen die Abenteuerlust überkommt, vielleicht per Anhalter eine Mitfahrgelegenheit sucht. Unter dem Foto standen die Worte: "Bleibt hungrig, bleibt verrückt." Das war ihre Botschaft zum Abschied. Ich habe mir das auch immer für mich selbst gewünscht. Und nun, da dieser Abschluss für Sie ein Neubeginn ist, wünsche ich Ihnen: Bleiben Sie hungrig, bleiben Sie verrückt. Ich danke Ihnen.
_________________ “ARBEITE, ALS WENN DU EWIG LEBEN WÜRDEST - LIEBE, ALS WENN DU HEUTE STERBEN MÜSSTEST.”
|