Propaganda nein | Beeinflussung ja
http://www.rhetorik.ch/Beeinflussen/Beeinflussen.html"Je besser der Mensch über die Beeinflussung zum Beispiel durch die Medien Bescheid weiss, um so eher kann er ihr widerstehen. Wer Manipulations und Beeinflussungstechniken erkennen und benennen kann, kann dafür sorgen, dass er ihr nicht zum Opfer fällt. "
ich habe hierzu letztens einen Bericht dazu gelesen, ich habe jetzt bewußt das "sehr gut" oder "sehr schlecht" weil das im Endeffekt die Manipulation schon ist, weggelassen
"Die Weisheit der Vielen
Der individuellen Form des Wissens wie es durch die meisten Intellektuellen gepflegt wird steht vor allem die "Weisheit der Vielen " (James Surowiecki: The wisdom of crowds) entgegen. Zu recht behauptet Surowiecki, dass in der Menge viel mehr Wissen vorhanden und möglich ist, als es ein einzelner erfassen kann. Dies entspricht der Volksweisheit: Vier Augen sehen mehr als zwei. Gerade daran aber kann auch das Problem sehr schön erklärt werden, denn es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie die zwei Träger der unterschiedlichen Augenpaare recht bald in die Haare kriegen, wer denn nun das Richtige sehe - oder wer die Sache richtig sähe. Gerade weil der einzelne gezwungen ist zur Auswahl, stellt die Gruppe ein weitaus grösseres Reservoir an Wissen dar. Er vernachlässigt aber die Mechanismen der Gruppendynamik und der Masse, die immer Einheit, oder zumindest Mehrheit will. Der Einzelne der da nicht reinpasst, wird ausgeschlossen oder still gestellt. Mehrheiten denken nicht mehr, sie wissen; nur der Einzelne ist hier wieder in der Lage, durch Kritik und Widerstand ein Umdenken anzuregen - wenn er sich Gehör verschaffen kann. Es ist also nicht die Masse, sondern diejenigen, die sich ihr entfremden, die schwarzen Schafe, die Wissen schaffen ... oder, weniger extrem, zumindest nur diejenigen, die es noch wagen, selbständig zu denken.
Das war meine Meinung. Inzwischen hab ich James Surowieckis: Die Weisheit der Vielen. [C. Bertelsmann. München 2004] gelesen, und da kommen doch eine ganze Menge interessanter Dinge hinzu. Hier also eine etwas differenziertere Darstellung:
Die Intelligenz der Vielen (Masse ist bei wiki etwas irreführend, da Massenpsychologie eben zu ganz andern Resultaten führen kann als eine Weisheit der Menge. Weisheit ist auch bei Surowiecki etwas irreführend, Intelligenz oder Wissen wäre passender, da es bei Weisheit um Werte und Wertung geht, die nicht nach Mehrheiten bestimmt werden können und dürfen und sollen und wollen. ) wurde von Francis Galton entdeckt. Er war zwar der Meinung, dass die Dummheit und Verbohrtheit vieler Männer und Frauen von unglaublichem Ausmasse sei, eine Gesellschaft also nur überlebe, wenn sie von "Auserwählten" geleitet werde. Einige Experimente brachten ihn aber zu dem erstaunlichen Resultat, dass eine Menge von unabhängigen Menschen einen Sachbestand viel präziser einschätzen kann als sogar die besten Experten. Er zeigt dies am Beispiel der Schlacht-Gewichtsschätzung eines Ochsen, die per Wette abgehalten wurde. 800 Leute versuchten ihr Glück, darunter Fachleute wie Metzger und Bauern, die hier reiche Erfahrung besassen. Die Schätzungen waren glockenförmig verteilt (Gaus-Verteilung / Normalverteilung), es gab also viele, die dem richtigen Wert nahe lagen, und zunehmend weniger mit zunehmendem Irrtum. Und nun staunte Galton, denn der Mittelwert der Schätzung betrug 1197 Pfund, das Schlachtgewicht des Tieres 1198 Pfund.
Kollektive Entscheidungen sind nur weise,
wenn sie viele verschiedenartige Informationen enthalten. [S. 98]
Kleine Gruppen laufen insbesondere Gefahr, zu sehr auf Konsens zu setzen. [S. 240]
Neue Botschaften werden häufig umgebogen, damit sie den Inhalt der alten Botschaften bestätigen - ein besonders heikler Punkt, da gerade ausgefallene Nachrichten oft einen besonders wichtigen Informationswert besitzen. (Wenn Leute lediglich Dinge sagen (und tun), die wir von ihnen erwarten, werden sie unser Denken kaum ändern). [S. 244]
Positive Randbedingungen für eine Weisheit der Menge:
Meinungsvielfalt und -unabhängigkeit innerhalb einer Gruppe ist wichtig, weil die richtige Entscheidung eben gerade NICHT durch KONSENS gefasst wird, sondern sich durch den Ausgleich der Fehler der Einzelschätzungen ergibt. Präzise diese Qualität der Menge nutzt Google.
Einschränkende Bedingungen für eine Weisheit der Menge:
Eine Gruppe, die zu stark kommuniziert, wird zu sehr in die Richtung einzelner Experten gelenkt, und liegt dann wieder voll daneben. Kollektive Intelligenz nimmt ab mit der Grösse der Gruppe, da sich Massen leicht in Hatz setzen lassen, ist aber auch bedroht bei zu kleinen Gruppen, da diese zu Konsens tendieren.
Gruppensolidarität, Gruppenkonformität, Gruppenzwang verhindern intelligente Lösungen, die eben gerade auf dem unterschiedlichen Wissen, den unterschiedlichen Meinungen und den unterschiedlichen Interessen der Gruppe basieren.
Ein klassisches Beispiel dafür sind die Treiberameisen, bei denen einfach eine der andern folgt. So beobachtete William Beeb im Dschungel von Guyana solche Ameisen, die rund um einen Krater wanderten, 370 m, wozu sie zweieinhalb Stunden brauchten ... bis nach zwei Tagen die meisten von ihnen tot umfielen. (Erinnert ein bisschen an die heutige Situation unserer Wirtschaft: Mehr und länger und härter arbeiten für weniger Lohn - um den <Wohlstand> zu sichern. äh ... quäck ... bla.)
Als tragisches Beispiel für das Versagen einer höchst komplexen Organisation nimmt Surowiecki das Zerschellen des Raumschiffs Columbia 2003. Dass beim Start ein Stück Isolation auf die Tragfläche geknallt war, wurde beobachtet und untersucht durch ein Team zur Bewertung von Trümmerschäden (DAT). Es war auch klar, dass ein Stück von dieser Grösse beträchtliche Schäden anrichten kann, um so mehr als die Formel zur Berechnung von Schäden nicht mal auf derart grosse Stücke ausgelegt war. Es geschah aber das, was in den meisten Teams geschieht: Bereits am Anfang der Untersuchungen gab ein Experte bekannt, dass ein Stück Schaumstoff einfach keinen Schaden anrichten könne ... und dass es eh nix gäbe, was man tun könne. Was nicht stimmt, denn die NASA hatte bereits Strategien für einen solchen Fall entwickelt. Dazu kam die tendenziöse Art bei Befragungen, die aus allen Sitzungen bekannt sind: Keine weiteren Fragen? (= Lassen Sie's bloss bleiben!) In dem Fall: Also kein Flugsicherheitsproblem. Nichts, was diesen Weltraumflug in Frage stellt. Nichts was man anders machen müsste. Es geht also gut aus, oder? (Linda Ham).
Aehnlicher Group-Think herrschte auch bei der Invasion der Schweinebucht ... und beim Angriff auf den Irak.
Surowiecki nennt hier anhand der Geschworenengerichte die zwei hierzu gehörenden Typen:
Die Jury orientiert sich primär am Entlastungsmaterial, stimmt nie ab ohne vorherige Diskussion, debattiert, sortiert, sucht alternative Erklärungen für den Tathergang, geht also quasi wissenschaftlich/philosophisch vor.
Die Jury betrachtet es als ihre Aufgabe, möglichst schnell (und kostengünstig) zu einem Urteil zu kommen, stimmt ab ohne Diskussion, debattiert, um "Abweichler" umzustimmen.
Die MASSE, der MOB:
Ein Mob kennt die Weisheit der Menge nicht. Er denkt und handelt extrem - da er von meist wenigen "Rädelsführern" radikalisiert wird.
Es gibt also keine Weisheit der Masse im Sinne von Mob (s. Börsenblasen), sondern nur eine Weisheit der Vielen.
DIE KASKADE:
Sorowiecki nimmt als Beispiel für eine positive Entwicklung die auf einer Einzellösung basiert welche sich durchsetzte, besser durchgesetzt wurde, die Normschraube von William Sellers. Man muss heute, bei der Globalisierung, wohl kaum erklären, dass Industrialisierung, Spezialisierung und Massenproduktion ohne Normierung unmöglich wären (sollte aber dabei nicht vergessen, dass die derart gelobte Globalisierung eben auch den Stempel der Normierung trägt, die sich nicht auf Schrauben beschränkt, sondern längst den Menschen im Kern erfasst hat. (Einschulung zwecks Normierung der Sprachkenntnisse mit 3 Jahren!) Sellers setzte also bei Eisenbahn und Marine an, und setzte seinen Standard innert 10 Jahren national durch. Etwas ähnliches, auf das die meisten allerdings lieber verzichten würden, war die Durchsetzung des Betriebssystems Windows für Computer als Norm.
Präzise durch dieses Problem der Masse kann auch Google, noch mehr Wikipedia, in die Irre gehen - und tut es auch andauernd.
Surowiecki liefert so nebenbei auch noch einen Beleg dafür, dass Gerechtigkeit nicht nur ein menschliches Bedürfnis ist, sondern sich sogar bei Kapuzineraffen findet. Die Affen wurde jeweils, wenn eine(r) einen Kieselstein ablieferte, mit einer Gurkenscheibe belohnt. Kleiner Lohn für kleine Arbeit. Als aber eine Äffin statt mit Gurke mit Traube belohnt wurde, warfen die andern die Kiesel hin und schmollten.
Spezialproblem:
Zweiparteiensysteme (REGIERUNG <> OPPOSITION) sind nicht weise, sondern dämlich:
Ein Problem auf das wir immer häufiger bei Wahlen stossen, ist die Bipolarität der Meinungen, also der Schätzung. Das Abstimmungssystem ist mit ja/nein natürlich darauf angelegt - aber genau dadurch verhindert es, dass die Weisheit der Menge wahr genommen wird. Bei praktisch allen knappen Entscheiden, 51/49 und ähnlich, will die Weisheit der Menge nämlich nicht den Sieger, sondern eben präzise einen Kompromiss, der irgendwo dazwischen läge, und ausgehandelt werden müsste - es aber nicht kann, auf Grund der grassierenden Wettbewerbs- und Siegermentalität. Eine zweigeteilte Menge kann also gar nicht mehr richtig optimieren per Abstimmungsverhalten - wenn das nicht später durch die politischen Gremien geschieht ... weshalb Blocher als Verweigerer auszuschliessen war. wzbw
Nun zeigt allerdings die neuere Entwicklung (GB, Nordrhein-Westphalen Mai 2010), dass auch bei einem sich entwickelnden Multiparteiensystem der Wählerwille unter Umständen völlig ins Gegenteil verkehrt werden kann. Haben die Bürger nach Jahren einer Linksregierung genug von leeren Versprechungen und möchten es wieder mal rechts versuchen, wählen also die Tories (306 Sitze) statt Labor (258 Sitze), wonach sich allerdings die Möglichkeit bietet, dass die Liberaldemokraten (57) mit Labour eine Koalition eingeht (Koalition der Verlierer), und die Regierung übernimmt. Oder in Nordrhein-Westphalen, wo die CDU massiv abgestraft wurde aber keine Partei alleine über eine Mehrheit verfügt, ergeben sich gleich 4 mögliche Koalitionen: Grosse (linksrechts), rot-rot-grün (ganzlinks), Ampel (rot-gelb-grün: links-mitte-links) und Jamaika (schwarz-grün-gelb: rechts-links-mitte). Dummerweise fühlen sich die Linkswähler durch einen Einbezug der Dunkelroten genau so verarscht wie durch einen Einbezug von Schwarzen oder gelb). Die Trendwahl funktioniert also nur, wenn sich die grossen Blöcke nach und nach auflösen und aus einer Mehrzahl kleiner eine entsprechende Kombination entstehen kann. Allerdings haben in der Politik genau wie in der Wirtschaft (economy of scale), die Grossen halt schon andere Möglichkeiten als die Kleinen - und Kleine sind manchmal schon ein bisschen sehr einseitig, man erinnere sich etwa an die Autopartei und ähnliche Scherzprodukte. Die ideale Welt gibt es auch mit der Demokratie nicht.
Gruppenpolarisierung:
Entgegen der Erwartung, dass Beratungen rationale und gemässigte Urteile garantieren, zeigen Studien von Geschworenenjurys, dass sich die Teilgruppen hin zu extremeren Positionen bewegen. Das liegt daran, dass man seinen Standpunkt klar machen will - und dafür gerne auch etwas übertreibt, also polemisiert. Wir finden das extrem in der Politik - wo aber die Resultate eben präzise zeigen, insbesondere anhand der Ständeratswahlen, dass eben NICHT diese Extrempositionen eigentlich gewünscht sind, sondern ein faires Mittelmass das natürlich schon die eigenen Interessen begünstigt.
Festgelegt wird die Gruppenposition zudem meist von der Reihenfolge der Reden: Je früher die Wortmeldung, desto grösser ihr Einfluss auf den Verlauf der Diskussion. Ist die Richtung einmal vorgegeben, ist es für Andersdenkende schwierig, den Lauf der Dinge zu ändern. Dies begünstigt auch den Status quo, da höher Gestellte immer erst das Wort erhalten - und dazu auch noch mehr und öfter reden. Je häufiger einer redet, desto häufiger wird er angesprochen. Surowiecky zeigte das anhand von Versuchen mit Piloten und Navigationsoffizieren. Erstere bekamen meist recht, da sie überzeugend argumentierten - und ihnen die Navigationsoffiziere das Wort überliessen, auch wenn sie recht hatten.
Menschen mit extremen Positionen sind häufig unflexibel - aber ihres eigenen Standpunktes so sicher, dass sie andere, mit gemässigten Positionen, dazu drängen können, diese aufzugeben. Hätten diese Leute recht, wär's ja kein Problem, aber dummerweise haben sie das eben nicht. Eine Aufteilung von grösseren Gruppen in kleinere kann dieses Problem beheben.
Autoritäre Führung:
Da die Weisheit der Vielen auf frei geäusserten eigenen Meinungen und Wissen beruht, kann sie in einer autoritären Umgebung nicht zustande kommen. Der autoritäre Entscheidungsstil verleiht den Entscheidungsträgern einen Hauch Vollkommenheit, der die andern zu unterwürfiger Haltung verleiten soll. Da sich die Mehrheit fügt um Ärger zu vermeiden, ist es, laut Surowiecki, erstaunlich, dass in autokratisch geführten Betrieben überhaupt wahre Informationen zum Vorschein kommen. [S. 274]
Dies müsste uns auch eine Mahnung sein, mit gesetzlichen Regelungen nicht zu übertreiben, denn es gibt keine autoritärere Autorität als das Gesetz. Normalerweise sind Gesetze ja auch sinnvoll und leider nötig, sie haben aber eben den selben Effekt wie andere Autoritäten, und dazu noch verstärkt, da sie einen Schatten des Bösen werfen, aus dem sich "die Guten" fernhalten. Die möglichen Verhaltens-, oft sogar bereits Denkweisen werden also massiv beschränkt, d.h. nun dummerweise aber auch, dass die Weisheit der Vielen dadurch beschränkt wird. Dazu kommt dann auch noch, politisch, dass sich die so Beschränkten gerne bei der SVP wieder finden ... was gleich auch erklärt, warum dort alles durch Vorschriften und Autoritäten geregelt werden soll: Jede zusätzliche Autorität und Beschränkung bringt neue Mitglieder."